Dass die Ausstellung von Florian Wenzel im Kunstfoyer am Langenweg im gleichen Jahr stattfindet, in dem sich der 175. Geburtstag von Karl May jährt, ist Zufall. Trotzdem spielen die Winnetou-Romane von Karl May und die Verfilmungen dieser Romane eine gewisse Rolle für die Ausstellung. Sie waren für viele Kinder die erste Begegnung mit dem Mythos „Wilder Westen“. Der Wilde Westen ist weit mehr als historische Tatsache. Von Anfang an war die Ausschmückung und ästhetische Inszenierung der Geschichte Teil dessen, was den Wilden Westen ausmacht. Bereits in seiner Zeit überhöhten Autoren in Zeitungen und Groschenheften die Taten von William Frederick Cody, genannt Buffalo Bill, um nur ein besonders schönes Beispiel zu nennen. Er arbeitete im Westen der USA im 19. Jahrhundert als Scout für die Armee, die gegen die ursprüngliche Bevölkerung, bekannt als „die Indianer“, militärisch vorging. Später betrieb Buffalo Bill die „Buffalo Bill’s Wild West Show“, in der auch einer jener Ureinwohner namens Sitting Bull mitwirkte.

Durch zahllose Bücher, Filme, Comic-Hefte, Lieder und nicht zuletzt in der Bildenden Kunst ist die Mythologie des Wilden Westens Teil unserer populären Kultur des 20. Jahrhunderts geworden. Für unsere bildliche Vorstellung spielen der Film und die Fotografie eine herausragende Rolle. Dass der Wilde Westen auch in unserer Zeit den Stoff für künstlerische Produktionen liefern kann, zeigen die neuen Arbeiten von Florian Wenzel. In seiner Serie "Adventures in Your Own Backyard" von 2016 inszeniert sich der Künstler selbst in wechselnden Rollen - als Cowboy, als Indianer oder Gesetzloser. Die vielen Verbindungen zu Fragen und Verfahrensweisen, die die aktuelle Kunstproduktion maßgeblich bestimmen, sind für den Künstler einfach zu schön, um sie unbeachtet zu lassen. Der Wilde Westen ist ein Sehnsuchtsort der Freiheit und Selbstbestimmung, unterschiedliche Kulturen treffen aufeinander, neue Erzählungen und Bilder entstehen. Der Wilde Westen als Mythologie überlebt, weil er fortdauernd ästhetisch inszeniert wird und damit für Interpretationen aus unterschiedlichen Perspektiven Raum bietet. Florian Wenzel probiert in diesem Bezugsfeld auf experimentelle Weise Bildstrategien aus. Einige Bilder erinnern an historische Fotografien. Sie zeigen den Künstler aus distanzierter Perspektive als Indianer oder Cowboy. Seine Kostüme sind selbst hergestellt und werden in einer weiteren Serie von Aufnahmen wie Artefakte freigestellt vor neutralem und signalrotem Hintergrund gezeigt. Andere Fotografien von Wenzel beziehen sich auf Spielfilme. Hier schlüpft der Künstler in die Rolle des Revolverhelden. "Adventures in Your Own Backyard" – Abenteuer im eigenen Hinterhof – zeugen nicht nur von der Reflektiertheit des Künstlers, sondern zudem von der Lust am Spiel mit unseren Bildvorstellungen.

Florian Wenzel wurde 1986 in Oldenburg geboren, er hat an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Prof. Heidi Specker studiert. 2012 erhielt Florian Wenzel den Förderpreis der Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg.